Die Schweden lieben rote Häuser. Das ist nicht zu übersehen. Denn es gibt kaum eine Stadt, in der nicht wenigstens ein paar der Holzhäuser in einem mittleren oder dunklen Rot gestrichen sind.
Ein besonderes Beispiel dafür ist die Kleingartensiedlung auf der Landzunge Brändaholm. Diese Landzunge ist Teil der Insel Dragsö, die vor der südschwedischen Hafenstadt Karlskrona liegt.
Alle 45 Häuser haben den gleichen roten Anstrich, weiße Fenster sowie weiß eingefasste Haustüren und Giebel.
Als ich mit meiner Frau durch die Siedlung schlenderte, überkam uns sofort ein heimeliges Gefühl. Denn alles wirkt so entschleunigt.
Eine malerische Idylle, wie ich sie eher in einem Freilichtmuseum erwarten würde. Kleine Gassen, Holzzäune, gemütliche nicht zu ordentliche Gärten, Miniaturen von diesen Häusern als Postkästen. Aber nein, es ist eine richtige Kleingartensiedlung, in der Menschen leben und ihre freie Zeit genießen.
Ihre Existenz verdankt die Kleingartensiedlung der Dickköpfigkeit einiger Bewohner von Karlskrona.
Die Stadtväter wollten Anfang der 1920er-Jahre auf der Landzunge Bäume pflanzen. Doch das gefiel einigen Einwohnern nicht. Statt den Weg durch die Instanzen zu gehen, schufen sie Tatsachen.
Die Truppe belud an einem Sonntagmorgen im März 1920 einfach ein Boot mit Brettern und Werkzeug, fuhr auf die Landzunge Brändaholm und errichteten ohne Erlaubnis der Stadt innerhalb eines Tages eine Hütte.
Es folgte das, was immer in solchen Fällen folgt: Der Stadt Karlskrona gefiel diese Aktion nicht. Und so entspann sich eine Reihe von Auseinandersetzung, die aber nach drei Jahren zu Gunsten der Einwohner ausgingen. Denn 1923 schloss die Stadt mit dem inzwischen gegründeten Kleingartenverein Frieden und mit dem Vorstand einen Vertrag ab.
Nach und nach bauten die Mitglieder 37 Häuser. Heute sind es 45. Die Grundfläche der kleinen Häuser darf 32 Quadratmeter nicht überschreiten. Außerdem müssen sie so aussehen, wie man sie heute bei einem Spaziergang vorfindet.
Die Parzellen sind sehr beliebt. Die Satzung erlaubt aber nur, dass Einwohner von Karlskrona eine der begehrten Brändaholm-Grundstücke erwerben dürfen. Diese Möglichkeit gibt es allerdings nur selten, da die Häuser fast immer von einer Familie auf die andere vererbt werden.
Angeblich soll vor ein paar Jahren ein Grundstück zum Preis von 1 Million Kronen verkauft worden sein. Das sind gut 99.600 Euro. Damit gehört Brändaholm zu den Filet-Regionen in ganz Schweden. Denn am Quadratmeterpreis gemessen entsprechen die Grundstücke dem Wert der Eigentumswohnungen in Östermalm. Das Stockholms beste Lage.
Ich finde es schön, dass die Eigentümer auf Brändaholm bodenständig geblieben sind oder zumindest nach Außen diesen Anschein erwecken. Denn nirgendwo habe ich bei unserem Spaziergang durch die Siedlung eine Art Dünkel entdeckt. Man darf über die Wege gehen, ohne fortgescheucht zu werden. Die Gärten sind gepflegt, aber nicht übertrieben gestylt – gemütlich und heimelig eben. In vielen Gärten steht ein Fahnenmast, an dem die schwedische Flagge im Wind weht.
Dass die Häuser auf Brändaholm und in weiten Teilen des Königsreichs rot sind hat etwas mit der Eitelkeit der Schweden zu tun. Zum einen liebten es im 19. Jahrhundert schwedische Maler wie Karl Larsson mit rot zu malen. Zum anderen war es zu jener Zeit in Mitteleuropa bei den Wohlhabenden angesagt, in Häusern aus rotem Backstein zu wohnen. Das wollten die Schweden auch. Weil sich viele diesen Wunsch nicht erfüllen konnten begannen sie ihre Holzhäuser im sogenannten Falunrot zu streichen, was dem Rot von Backsteinen recht nahe kommt.
Der Name dieser Farbe leitet sich von der Stadt Falun ab, die rund 600 Kilometer nördlich von Karskrona in Mittelschweden liegt. Bis 1992 wurde dort Kupfer abgebaut.
Laut Universität Greifswald hatten die Minenbesitzer im 18. Jahrhundert den Einfall, die beim Kupferabbau anfallenden Abfallstoffe nicht zu entsorgen, sondern weiter zu verwerten.
Sie experimentierten damit und fanden heraus, dass durch das Erhitzen des anfallenden Schlamms ein aus Kupfer und Eisenoxid bestehender roter Farbstoff übrig blieb. Unter Zusatz von Wasser, Weizen- und Roggenmehl sowie Leinöl produzierten sie schließlich aus dem Pigment eine rote Farbe, das Falunrot.
Und so begann für das Falunrot ein Siegeszug, der bis heute in ganz Schweden und in allen Bevölkerungsschichten ungebrochen ist.
Die Farbe sieht aber nicht nur schön aus und bewirkt bei uns Touristen, die wir mit den Geschichten von Astrid Lindgren und Pippi Langstrumpf aufgewachsen sind, nicht nur heimelige Gefühle.
Falunrot hat laut Universität Greifswald auch einen anderen positiven Effekt: Holz, das schon länger der Witterung ausgesetzt ist, lässt sich damit besser streichen als mit Farbe aus den Chemiewerken. Außerdem kann das Holz weiter atmen, da die Poren nicht verklebt werden.
Es gibt zwei weitere positive Effekte: Falunrot absorbiert die größten Teile des UV-Lichts und schützt die Holzwände vor der Verwitterung. Auch gibt es Pilzen keine Chance in das Holz einzudringen.
Die schwedische Firma Stora Kopparbergs Bergslags AB produziert Falunrot heute immer noch so, wie sie es vor 200 Jahren gemacht hat.
In einem Video zeigt das Unternehmen den >> Herstellungsprozess von Falunrot.
Quellen: www.brandaholm.de, balticcultures.uni-greifswald.de, www.nordisch.info
Hej, Heiko,
herzlichen Dank für diese wunderbaren Foto-Impressionen und die spannenden Geschichten rund um die Kleingartensiedlung Brändaholm und das in Schweden typische Falunrot - Letzteres hatte ich,"Schwedenneuling" und die schwedischen Flaggenfarben gelb und blau vor Augen, so gar nicht erwartet!
LG Marie
Liebe Marie,
ich freue mich, dass Dir meine Fotos und die Infos gefallen. Gelb und Blau spielen in Schweden in der Tat eine große Rolle. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass dieses schöne Rot noch verbreiteter ist.
Viele Grüße
Heiko