An der Küste hängen in den Kirchen häufig Schiffsmodelle. Ob Walfänger, Kriegsfregatte oder schnittiger Seebäder-Dampfer, in vielen Fällen sind sie ein Zeichen der Dankbarkeit, zum Beispiel weil die Stifter von ihrer häufig langen Seereise wieder heil nach Hause zurückgekehrt sind oder weil sie bei einem Schiffsunglück gerettet wurden.
In den protestantisch geprägten Nordsee- und Ostseeländern dienten sie häufig aber auch nur zur Repräsentation des Berufsstandes der Seeleute.
Im Unterschied zu den vielen anderen Modellen, trägt das Schiffsmodel in der 800 Jahre alten Kirche St. Severin in Keitum auf der Insel Sylt trägt keinen Namen. Der Grund ist nicht bekannt. Es gibt aber Spekulationen, dass das Schiff ein Symbol des Aufruhrs gegen die Dänen sein könnte.
Fachleute des Internationalen Maritimen Museums Hamburg glauben, dass das Modell eine Kriegsbrigg darstellt, also einen Zweimastsegler, der mit 20 Kanonen bewaffnet ist. Kapitän Peter Thies Petersen hatte der Kirche das Modell geschenkt.
Das Schiff führt die Flagge Schleswig-Holsteins. Und das ist bemerkenswert. Denn Petersen stiftete dieses Modell im Jahre 1844. Die schleswig-holsteinische Flotte wurde aber erst vier Jahre später gegründet. Sylt sowie Teile des heutigen Schleswig-Holstein gehörten seinerzeit noch zu Dänemark.
„Die Flagge war also ein Symbol deutscher Unabhängigkeitsbewegung“, meint ein Sprecher der Nordsee-Tourismus-Service GmbH (NTS).
Heute hängt das Schiffsmodell im Eingang unter dem Turm, viele Jahre stand es in einem Glaskasten – mit Fahrtrichtung Nord, Richtung Dänemark. „Man darf spekulieren, ob es subversiv oder gar eine Art Aufruhr war“, so der NTS-Sprecher.
Immerhin verlor Kapitän Petersen unter der dänischen Herrschaft auf der Insel Sylt zwei bedeutende offizielle Ämter, laut NTS wohl infolge seiner „vaterländisch deutschen Gesinnung“.
Pastor und Gemeinderat nahmen damals das Geschenk gern an und platzierten es an gut sichtbarer Stelle. Der damalige Pastor wurde daraufhin von den dänischen Herrschern alsbald aus seinem Amt komplementiert und auf eine kleine Hallig versetzt.
Wer heute von Westerland die Landstraße nach Hörnum fährt, wird am Ortseingang vielleicht als erstes die Kirche St. Thomas wahrnehmen. Stolz steht sie auf einer Düne. Der spitz aufragende Chor blickt über Land und Meer. Dies erinnert mit den weiß geschlämmten Mauern an ein geblähtes Segel.
Auch hier hängt ein Schiff. Mit dem Schnelldampfer Cobra ist es ein noch recht junges Modell, aber mit großer Bedeutung für Hörnum. Die Cobra gehörte zu jenen Schiffen, die Sylts südlichster Gemeinde Wohlstand bescherten.
Denn während einst Handelsfahrer und Walfänger Wohlstand auf die Insel brachten und an der Wende zum 20. Jahrhundert der Fremdenverkehr auf dem Rest der Insel längst Fahrt aufgenommen hatte, ging diese Entwicklung an Hörnum vorbei.
Um 1900 änderte sich alles, als der Reeder Albert Ballin begann, Passagiere mit großen Schiffen zu den aufstrebenden Seebädern an der Nordsee zu bringen. 1890 kaufte er einen Schnelldampfer und nannte ihn Cobra. Für die HAPAG befuhren in den Sommermonaten die Cobra und weitere Schiffe die Linie Hamburg – Helgoland – Hörnum.
Diese Seebäderschiffe hatten bis zu 2.000 Passagiere an Bord. Wegen ihrer Größe musste in Hörnum eine 150 Meter lange Anlegebrücke gebaut werden.
Nicht nur auf Sylt hängen Boote in den Kirchen, die die Seemänner besuchten, wenn sie nicht auf See waren. Nach Auskunft der Gesellschaft für Schleswig-Hollsteinische Geschichte, hingen Modelle in den Kirchen fast aller europäischer Länder. In Dänemark sind es mehr als 1.000, in Schleswig-Hollstein 65. Eines der ältesten Schiffsmodelle hängt seit 1617 im Dorf Landkirchen auf Fehmarn.