Ein grauer, diesiger Sommertag in Llanrwst. Nebelschwaden bahnen sich ihren Weg entlang der Hügel, die wirken, als müssten sie die schwere Last der Wolken tragen.
Die saftig grünen Bäume und Wiesen und ganz besonders ein großes Feld mit rosafarbenem Springkraut bringen Farbe in den tristen Regentag.
Hinter dem Springkraut schlängelt der River Convy gemächlich in Richtung irischer See. Das Wasser ist heute nicht tief, denn ich sehe einige Sandbänke.
Je länger ich die Umgebung betrachte, desto mehr warte ich darauf, dass Gandalf oder Bilbo Beutlin die steinerne Brücke, die die beiden Ufer verbindet, auftauchen. Denn was ich sehe, wirkt auf mich wie eine echte, lebendige Szene von Herr der Ringe.
Kein Kulissenbildner hätte die „Pont Fawr“ (Große Brücke) besser bauen können. Bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ist sie auf vielen Kilometern in Richtung Norden und Süden die einzige Überquerungsmöglichkeit über den River Conwy.
Gerade mal etwas breiter als ein Pferdefuhrwerk, müssen Autofahrer auf einander warten, um ans andere Ufer von Llanrwst zu gelangen.
Bullig, aus massivem Stein, ohne Stahlträger errichtet, steigt sie an, um ab der Flussmitte wieder abzufallen.
Als ich die Brücke überquere, laufe ich auf ein Haus zu, das über und über mit Efeu überwuchert ist und mein Bild von der „Herr der Ringe“-Szenerie komplettiert. Die Wände, das Dach, der Schornstein, alles ist in einen nahtlosen, grünen Vorhang gehüllt. Lediglich die Eingangstür und die Fenster schauen heraus.
1480 als Wohnhaus errichtet und eine Weile als Gerichtsgebäude genutzt, ist das >> Tu Hwnt i’r Bont (Deutsch: Hinter der Brücke) heute ein gemütliches Café mit einer Einrichtung, die den alten Charme erhält.
Als ich dort einen „Welsh Cream Tea“ genieße, hätte ich gern in den Innenräumen ein paar Fotos zur Erinnerung gemacht. Aber leider verweigert mir dies die Betreiberin mit einem leichten, aber deutlichen Schütteln des Kopfes.
Das Haus Tu Hwnt i’r Bont ist in den vergangenen Jahrhunderten mehrmals verfallen. Wurde aber immer wieder aufgebaut. Seit gut 50 Jahren gehört es dem National Trust, der sich um den Erhalt dieses schönen, über 500 Jahre alten Gebäudes am Ufer des River Conwy kümmert.
Llanrwst, das im Norden von Wales liegt, gilt als das Tor zum Snowdonia-Nationalpark. Von hier aus könnt Ihr zum Beispiel Ausflüge in die Berge oder einen Abstecher nach Caernafon unternehmen, wo Prince Charles 1969 zum Prince of Wales gekrönt wurde.
Auch Llanfairpwllgwyngyll, Ihr wisst schon, der unaussprechliche Ort mit 62 Buchstaben, liegt ganz in der Nähe.
Aber um ehrlich zu sein, mehr als ein sehr langes Schild mit dem Ortsnamen am Bahnsteig hat dieser Ort auf der Insel Anglesey nicht zu bieten. Er ist lediglich eine kleine Zugabe zu einem Besuch in Caernafon oder auf der Fahrt zur Fähre nach Irland.